Die Vorteile des Stillens

Vorteile des Stillens

Ausschließliches Stillen bis zum Alter von mindestens 6 Monaten ist eine anerkannte Empfehlung von der American Academy of Pediatrics oder der WHO (1,2). Die Muttermilch ist eine sich dynamisch verändernde, biologisch aktive Flüssigkeit, die wie folgt zusammengesetzt ist. Neben lebenswichtigen Proteinen, Fetten und Kohlenhydraten enthält sie entzündungshemmende Faktoren, Wachstumsfaktoren (EGF, IGF-I, neuronale Wachstumsfaktoren), immunologisch aktive Substanzen (z.B. Lactoferrin, Leukozyten, IgA, Lysozym), Präbiotika (HMOs - Oligosaccharide), Vitamine und Mineralstoffe. Diese Bestandteile haben nicht nur eine ernährungsphysiologische Funktion, sondern bieten auch einen aktiven Schutz gegen Krankheitserreger und haben eine immunmodulatorische Wirkung (3).

Vorteile des Stillens für die Mutter - kurzfristig positive Effekte (4-6):

  • geringeres Blutungsrisiko, kürzere Nachblutungszeit 
  • schnelle Rückbildung der Gebärmutter 
  • bei ausschließlichem Stillen, bei angemessener Intensität und Dauer pro Stillmahlzeit, weniger Blutverlust durch Ausbleiben der Menstruation 
  • geringeres Risiko einer postpartalen Depression bei stillenden Müttern im Vergleich zu nicht stillenden Müttern 
  • bessere emotionale Bindung zum Kind 
  • schnellere Rückkehr zur Figur

Vorteile des Stillens für die Mutter - langfristig positive Effekte (4-6):

  • Reduktion des Risikos für Typ II Diabetes um 4-12% bei Frauen, die kein Schwangerschaftsdiabetes haben
  • Reduzierung des Risikos für Brustkrebs, Eierstockkrebs (bei Gesamtstilldauer >24 Monate)  
  • Reduzierung des Brustkrebsrisikos in Abhängigkeit von der Stilldauer - mehr dazu hier
  • geringeres Risiko für Osteoporose und Schenkelhalsfraktur in der Postmenopause 
  • geringeres Risiko für das Auftreten von Bluthochdruck, Diabetes, Hyperlipidämie und kardiovaskulären Erkrankungen in der Postmenopause

Vorteile des Stillens für das Kind - kurzfristig positive Effekte (4-6):

Das Stillen sorgt dafür, dass mit der Muttermilch alle wichtigen Wirkstoffe geliefert werden, die der Gesundheit des Babys zugutekommen. Ausschließliches Stillen reduziert Fälle von:

  • Atemwegserkrankungen, was wiederum die Anzahl der Krankenhausaufenthalte wegen Infektionen um 72 % senkt. 
  • Harnwegsinfektionen.
  • Infektionen des Verdauungssystems (Durchfall). Die Inzidenz wird um 2/3 reduziert und der Schutzeffekt bleibt für 2 Monate nach Beendigung des Stillens bestehen. 
  • Mittelohrentzündung und zwar um das 3-fache bei Säuglingen, die länger als 3 Monate ausschließlich gestillt werden.
  • Nekrotisierender Enterokolitis (NEC). Die Inzidenz wird bei gestillten vs. gemischt gefütterten Frühgeborenen um 77% reduziert! 
  • Sepsis
  • Plötzlicher Kindstod (Sudden Infant Death Syndrome). Das ausschließliche Stillen reduziert das Risiko um das 4-fache.
  • Bakterielle Meningitis.
  • Sterblichkeit aufgrund von Atemwegs- und Magen-Darm-Infektionen.

Vorteile des Stillens für das Kind - langfristig positive Effekte (4-6):

  • reduziertes Risiko für Übergewicht und Adipositas. Jeder weitere Stillmonat reduziert das Risiko um 4%.
  • reduziertes Risiko für Typ I und Typ II Diabetes.
  • reduziertes Risiko für Leukämie, Morbus Hodkin - bösartige Erkrankung des Lymphsystems.
  • reduziertes Risiko für atopische Dermatitis, eine Allergiemanifestation der Atemwege im Kindesalter (nach >3 Monaten ausschließlichen Stillens), was Ergebnisse einer Metaanalyse von mehreren Studien aus dem 2011 beweisen.9
  • positive Wirkung auf die Ausrichtung der Milchzähne (Okklusion), was eine brasilianische Studie mit der Teilnahme vpn 1.377 Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren zeigte.10
  • positive Wirkung auf die Intelligenz des Kindes.

Es gib Studien, die beweisen, dass das Stillen sich langfristig positiv auf die Intelligenz des Kindes auswirkt. Man darf jedoch nicht verallgemeinern, dass jedes nicht gestillte Kind automatisch weniger intelligent ist. Die Studien sind dazu da, um zu zeigen, was man tun kann, um die Entwicklung des Kindes zu fördern.

Die brasilianische Studie umfasste fast 3.400 30-Jährige, die bereits im Säuglingsalter in die Studie aufgenommen wurden (7). Das Langzeitstillen wirkte sich positiv auf die Intelligenz im Erwachsenenalter aus. Gleichzeitig hatten diese Probanden eine längere Schullaufbahn und ein fast 20% höheres Durchschnittseinkommen im Vergleich zu denjenigen, die weniger als 1 Monat gestillt wurden. Laut der Analyse war Intelligenz sogar zu 72% für das Erreichen eines höheren Einkommens verantwortlich. Man soll aber auch bedenken, dass andere Faktoren, wie z.B. die Bildung der Mutter, der Familienstand oder das Geburtsgewicht ebenfalls einen Einfluss auf das IQ des Kindes haben (7) .

Eine Studie aus dem Jahr 2013, an der mehr als 1.300 Mutter - Kind - Paare teilnahmen, bewies, dass das Stillen über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten in Verbindung mit besseren Intelligenztestergebnissen, einschließlich kognitiven und verbalen Fähigkeiten, im Alter von 3 und 78 Jahren stand (8).

HAMLET in der menschlichen Milch

HAMLET (human alpha-lactalbumin made lethal or tumor cells) - Entdeckung eines Komplexes aus α-Lactalbumin und Ölsäure, die in der Muttermilch vorhanden sind und sich in der sauren Umgebung des Babymagens bilden. Die fettgebundenen Proteine besitzen die Fähigkeit, Krebszellen zu zerstören und gleichzeitig gesunde Zellen zu schützen (11). HAMLET reichert sich in den Membranen der durch die Krankheit veränderten Zellen an und bricht deren Kontinuität, was zu ihrem programmierten Tod - der Apoptose – führt (11). Ein weiterer Wirkmechanismus ist das Eindringen in den Zellkern, was zur Folge die Störung von Proteinbildung hat, die für die Funktion der Zelle essentiell sind. Es wurde ebenfalls bewiesen, dass Ölsäure allein keine destruktive Wirkung auf Zellen hat, aber für die Wirkung von HAMLET notwendig ist. Eine Studie mit Menschen, die an Blasenkrebs erkrankt sind, zeigte, dass die Verabreichung von HAMLET direkt über Katheter in die Blase zu einem Anstieg der  abgestorbenen Krebszellen im Urin führte (12). Nach 5 Therapietagen hat man eine Verringerung der Tumorgröße und das Fehlen von Veränderungen im Tumorgewebe, festgestellt (12).

Stammzellen in der Muttermilch

Vor einigen Jahren wurden  Stammzellen in der Muttermilch entdeckt. Bis dahin glaubten die Wissenschaftler diese Zellen wären nur an der Embryonalentwicklung beteiligt. Nur die Brustdrüse ist in der Lage während der Laktation diese Zelltypen zu produzieren. In den Brüsten von Frauen, die nicht stillen, wurden diese Zellen nicht beobachtet (13, 14). Studien, die an Mäusen durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass die in der Milch enthaltenen Stammzellen nicht im Magen verdaut werden, sondern über den Darm in die Blutbahn gelangen (14). Die markierten Zellen wurden in verschiedenen Teilen des Körpers der Mäuse gefunden, unter anderem im Gehirn, in der Leber und in der Milz. Bemerkenswert ist, dass diese Stammzellen  nach Stillende immer noch vorhanden waren. Dies zeigt, dass sie in der Lage sind, Körperorgane zu durchdringen und in diese aufgenommen zu werden, was Vorteile in der Entwicklung und Gesundheit des Kindes hat. Der Austausch von Stammzellen, der zwischen der Mutter und dem Kind stattfindet, erfolgt bereits im fetalen Lebensstadium. Somit ist die Laktation eine natürliche Fortsetzung dieses Prozesses (13).

Stillen und Ernährung 

Der Einfluss der Ernährung einer schwangeren Frau auf die Gesundheit ihres Kindes wurde in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts hervorgehoben, als Wissenschaftler eine Entdeckung machten, die den Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Mangel oder Überschuss an bestimmten Nährstoffen während der Fetalperiode und der Anfälligkeit des Kindes für verschiedene Krankheiten, z.B. Fettleibigkeit, Typ II Diabetes, Bluthochdruck im Erwachsenenalter, zeigte (15). Dieses Phänomen wurde 'Nutritional Programming' genannt. Die Grundlage der Programmierung basiert auf dem Einfluss bestimmter Nährstoffe, die dem Fötus während der so genannten Entwicklungsfenster (z.B. Bildung von Organen in den frühen Stadien der Schwangerschaft) zugeführt werden, die die Funktion des gesamten Organismus (z.B. auf die Genexpression) nicht nur während der Schwangerschaft, sondern auch im Erwachsenenalter günstig beeinflussen. Die neuesten Berichte über den Einfluss der Ernährung der Mutter auf die Gesundheit des Kindes unterstützen die Ansicht, dass es sich lohnt bereits während der  Schwangerschaftsplanung darauf zu achten, dass die Ernährung so ausgewogen wie möglich ist und alle notwendigen Nährstoffe liefert, insbesondere Folsäure und andere B-Vitamine, die die DNA des Embryos schützen und das Risiko von Neuralrohrdefekten verringern (16). Stillen ist die am besten dokumentierte Ernährungsintervention, die unbestreitbar die normale Entwicklung des Säuglings gewährleistet. Die umfangreiche Literatur weist auf viele gesundheitliche Vorteile des ausschließlichen Stillens hin, einschließlich eines geringeren Risikos für Fettleibigkeit und Typ II Diabetes, einer erhöhten Immunabwähr und Auswirkungen auf die Intelligenz des Kindes. Muttermilch ist eine dynamische Flüssigkeit, die nicht nur Proteine, Kohlenhydrate oder Fette enthält, sondern auch viele andere biologisch aktive Substanzen, die aktiv in den Körper des Kindes gelangen (3)

Literatur:

1. Kramer MS, Kakuma R. The optimal duration of exclusive breastfeeding: a systematic review (WHO/NHD/01.08). Geneva, Switzerland, Department of Nutrition for Health and Development and Department of Child and Adolescent Health and Development, World Health Organization, 2007

2. Breastfeeding and the Use of Human Milk. Section on breastfeeding. Pediatrics 2012;129:e827–e841

3. Ballard O., Morrow A. L. Human Milk Composition: Nutrients and Bioactive Factors. Pediatr Clin North Am. 2013; 60(1): 49–74

4. Gartner LM. Et al. American Academy of Pediatrics. Section on Breastfeeding: Breastfeeding and the use of human milk. Pediatrics 2005; 115: 496-506. 

5. Breastfeeding and the Use of Human Milk Section of Breastfeeding Pediatrics 2012; 129: c827

6. Karmienie piersią w teorii i praktyce. Red. M. Nehring-Gugulska Rok wyd. 2012 r. , Wydawca: Medycyna Praktyczna

7. Cesar G V. et al. Association between breastfeeding and intelligence, educational attainment, and income at 30 years of age: a prospective birth cohort study from BrazilLancet Glob Health 2015; 3: e199–205

8. Belfort M.B. et al. Infant Feeding and Childhood Cognition at Ages 3 and 7 Years Effects of Breastfeeding Duration and Exclusivity. JAMA Pediatr doi:10.1001/jamapediatrics.2013.455

9. Kramer MS. Breastfeeding and Allergy: The Evidence Ann Nutr Metab 2011;59(suppl 1):20–26

10. Kobayashi HM et al. Relationship between breastfeeding duration and prevalence of posterior crossbite in the deciduous dentition. Am J Orthod Dentofacial Orthop. 2010;137(1):54-8. do

11. Ho JCS et al. Lipids as Tumoricidal Components of Human α-Lactalbumin Made Lethal to Tumor Cells (HAMLET). The Journal of Biological Chermistry. 2013; 288(24):17460-71.

12. Mossberg AK et al. Bladder cancers respond to intravesical instillation of HAMLET (human alpha-lactalbumin made lethal to tumor cells). Int J Cancer. 2007;121(6):1352-9.

13. Hassiotou F et al. Breastmilk is a novel source of stem cells with multilineage differentiation potential. Stem Cells. 2012;30(10):2164-74.

14. Hassiotou F et al. Breastmilk Imparts the Mother’s Stem Cells to the Infant FASEB 2015; 29:876.8

15. Fowden AL et al. Intrauterine programming of physiological systems: Causes and consequences. Physiology 2006; 21:29-37

16. Jones CJP et al. Tracking nutrient transfer at the human maternofetal interface from 4 weeks to term. Placenta, 2015; 36 (4): 372